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Insektizideinsatz im
ferienflieger
welche ansprüche hat der Passagier?

Burkhard tamm
So mancher Passagier wundert sich vor dem rückflug aus fernen ländern, dass das flugpersonal
vor abflug und lediglich nach einer kurzer ankündigung unerwartet ein Insektizid über die Köpfe
der Passagiere hinweg versprüht, ohne dass diese sich - beispielsweise durch eine atemmaske -
dagegen schützen können.
wer zum ersten mal eine fernreise gebucht hat, ist in aller regel mehr als überrascht, nun plötz-
lich vor dem rückflug aus dem Urlaubsland von einem mittel eingenebelt zu werden, dessen
namen, wirkung und risiko er nicht kennt und das nach den angaben des flugpersonals angeb-
lich in keiner weise gesundheitsschädlich ist. denn keine oder zumindest kaum eine airline
weist ihre Passagiere bereits vor der Buchung auf die anwendung dieses im fachjargon „Blocks-
away-method“ genannten Verfahrens und etwaige risiken hin. es fragt sich, welche rechte dem
Passagier gegen die airline im zusammenhang mit dieser sog. „desinsektion“ zustehen.

Urteil des amtsgericht frankfurt am main v.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte die Beklagte, dem 0.1.008 (az. 9 C 1/08 -)
Am 04.12.2008 entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main in einem vom Autoren geführten Verfahren gegen eine große 1. welche Konzentration an Permethrin und ggf. welche weiteren Airline über Auskunftsansprüche eines Passagiers. Das Urteil ist Inhaltsstoffe in welcher Menge das von der Beklagten auf dem nach Kenntnis des Autoren deutschlandweit das erste überhaupt Rückflug des Klägers von Kuba nach Paris Charles de Gaulle zu dieser Fragestellung. Zur Hälfte wurde der Klage stattgegeben, im übrigen wurde sie zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde 2. in welcher Menge dieses Insektizid auf diesem Flug versprüht damit begründet, dass der Kläger nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf zwei Klageanträge kein Rechtsschutzbedürfnis hatte, u.a., weil er sich über das von der Beklagten angeblich verwende- ———————— rechtsgrundlage des anspruchs
te Permethrin „(.) vorprozessual bereits selbst umfassend und mit und feststellungen des Gerichts
einer Gründlichkeit informiert hatte, wie sie von der Beklagten nur schwer überboten werden dürfte“. Das Amtsgericht leitete den Auskunftsanspruch des Klägers aus dem mit der Airline abgeschlossenen Beförderungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben her und Kontakt:
„Dem Kläger steht zunächst grundsätzlich ein Auskunftsanspruch RA mit Schwerpunkt Medizin-/ Versicherungsrecht (u.a. BU-Vers.) über Zusammensetzung, Intensität, Menge, Wirkweise und Gesundheitsrisiken des von der Beklagten anlässlich des streitgegen­ ständlichen Fluges verwendeten Mittels zu. Insoweit ist die Beklagte aus vertraglicher Nebenpflicht des Luftbeförderungsvertrages her­ Internet: www.tamm-law.de und www.ra-bohl.de aus verpflichtet, zumindest auf konkrete Anfrage eines über gesund­ umwelt·medizin·gesellschaft |  | 1/2009
heitliche Beschwerden nach dem Flug klagenden Fluggastes umfas­ von Fäl en dokumentiert, in denen Fluggäste oder auch Bordper- send Auskunft über das eingesetzte Desinsektionsmittel zu erteilen, sonal nach Durchführung einer Desinsektion im Flugzeug über um es dem betroffenen Fluggast zu ermöglichen, sich ein Bild über Gesundheitsprobleme klagten. Dies ist auch den Airlines bekannt.
mögliche gesundheitliche Risiken zu verschaffen, ggf. angemessene ärztliche Behandlungsmaßnahmen einzuleiten und für sich zu ent­ Da die Airlines also wissen, dass die von ihnen zur Desinsektion scheiden, ob künftig Flüge dieser Art für ihn noch verträglich sind.“ verwendeten Mittel zumindest bei einer Anzahl von Personen Beschwerden hervorrufen, ergibt sich nach Auffassung des Autors nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo und dem Grund- „Hierbei kann es für die Bejahung eines solchen, individuel­ satz von Treu und Glauben eine Pflicht der Airlines, ihre potentiel- len Anspruches des Klägers dahinstehen, ob von dem durch die len Passagiere bereits vor Buchung einer Reise in geeigneter Weise Beklagte verwendeten Desinsektionsmittel üblicherweise keine - z.B. auf den Internetseiten - auf das Verfahren der Desinsektion Gesundheitsgefahren ausgehen und der ganz überwiegende Großteil und die damit etwaig verbundenen Risiken hinzuweisen. aller Fluggäste nicht über Beeinträchtigungen der Gesundheit klagt.
(.) Hier ist die Frage entscheidungserheblich, ob die Beklagte auf
Nur so ist sichergestel t, dass sich beispielsweise ein Asthmatiker Nachfrage eines über gesundheitliche Beeinträchtigungen auf­ oder chemikaliensensibler Mensch bereits vor Antritt einer Reise grund der durchgeführten Desinsektion klagenden Fluggastes nach­ bei seinem Arzt informieren kann, ob er den Strapazen einer sol- träglich verpflichtet ist, umfassend Auskunft über das verwendete chen Flugreise gesundheitlich überhaupt gewachsen ist. Sofern es Desinsektionsmittel zu erteilen. in diesem Punkt Zweifel gibt, kann er sich noch gegen eine Buchung (.) Ein Anspruch des Fluggastes besteht bereits auch, um zu ermit­ entscheiden, anstatt vol kommen uninformiert zu buchen und teln, ob diese Beschwerden auf das Desinsektionsmittel oder auf dann erst vor Antritt des Rückflugs aus heiterem Himmel und ohne andere Ursachen zurückzuführen sind. (.) Denn es ist dem derart Möglichkeit, sich zu schützen, von einem Insektizid eingenebelt zu betroffenen Fluggast nicht zuzumuten und auch nicht ohne weite­ werden und womöglich einen Asthmaanfal zu erleiden. res möglich, sich die erforderlichen Informationen eigenständig zu beschaffen, um die für ihn von dem Desinsektionsmittel ausgehen­ Unterlässt es eine Airline, ihre Passagiere bereits vor Buchung den Gesundheitsrisiken einzuschätzen. entsprechend aufzuklären und zu informieren, so kann sie sich (.) Die Erteilung solcher Informationen in Einzelfällen wie dem hier nach Auffassung des Autoren gegenüber Passagieren, die nach gegenständlichen ist der Beklagten auch zuzumuten. Hierbei fällt einer Desinsektion unter Gesundheitsbeschwerden leiden, scha-wesentlich ins Gewicht, dass die Versprühung des Desinsektions­ mittels durch die Beklagte veranlasst wird und davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte im Klaren darüber ist, welche inhaltliche Zusammensetzung in welcher Konzentration und Menge mit wel­ ——————— Verpflichtung zur ermöglichung
chen möglichen Gesundheitsrisiken über die Köpfe ihrer Fluggäste des Selbstschutzes?
Selbst wenn man aber eine solche Aufklärungspflicht vor
Buchung
der Reise verneint, so muss nach Ansicht des Autoren
——————————— aufklärungspflicht bereits jedenfalls folgendes gelten:
vor Buchung der reise? Da die Airlines wissen, dass eine Desinsektion - insbesondere
unter Anwendung der „Blocks-Away-Method“ - bei manchen Über die Frage, ob Passagiere auch Anspruch darauf haben, bereits Menschen gesundheitliche Beschwerden hervorruft, sind sie ver-
vor Abschluss des Luftbeförderungsvertrags darüber aufgeklärt zu pflichtet, ihre Passagiere durch ihr Bordpersonal zumindest direkt
werden, dass vor dem Rückflug aus dem Urlaubsland eine Desin-
vor versprühung des Insektizids so rechtzeitig zu informieren,
sektion durchgeführt werden wird, hatte das Gericht nicht zu ent- dass sich diese noch gegen das Insektizid schützen können, z.B. scheiden. Nach Ansicht des Autoren muss jedoch auch ein solcher durch Luftanhalten, Abschirmen von Mund und Nase, Schließen Anspruch bejaht werden und zwar aus den folgenden Gründen: Nach den Grundsätzen der sog. culpa in contrahendo (vorver- Eigentlich sollte man in diesem Zusammenhang auch erwarten tragliches Verschulden) ist der eine Vertragspartner dem ande- können, dass Airlines im Sinne eines Services am Kunden ihren ren gegenüber verpflichtet, diesen unaufgefordert über solche Passagieren eine Atemmaske anbieten, damit sie sich auf diese Umstände aufzuklären und zu informieren, die für dessen Ent- Weise schützen können. Jeder Passagier kann dann selbst ent- scheidung erheblich sind1. Tut er dies nicht, dann kann sich hier- scheiden, ob er dieses Angebot annehmen möchte oder nicht. aus eine Schadensersatzpflicht ergeben.
Wenn eine Airline ihre Passagiere weder vor Buchung des Fluges Die Frage, ob die von den Airlines eingesetzten Insektizide beim noch unmittelbar vor Versprühen des Insektizids informiert und Menschen oder auch nur bei manchen Menschen wie beispiels- aufklärt und ihren Passagieren zudem nicht die Möglichkeit gibt, weise Asthmatikern oder Chemikaliensensiblen, Gesundheitsbe- sich zu schützen, dann kommen bei Passagieren, die nach einer schwerden hervorrufen können, wird in der Wissenschaft zwar Desinsektion an Beschwerden leiden, Schadensersatzansprüche nicht einheitlich beantwortet, aber in der Literatur ist eine Vielzahl in Betracht. Die Durchsetzung solcher Ansprüche gestaltet sich ———————————————————— jedoch aufgrund der internationalen flugrechtlichen Bestimmun- 1) Vgl. Palandt, 67. Aufl., § 242, Rn. 37 und § 280, Rn. 30.
umwelt·medizin·gesellschaft |  | 1/2009

Source: http://www.tamm-law.de/umg-1.09-Tamm.pdf

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